Der Streit um die Streifen

Ein ständiges Auf und Ab

Gestreifte Krawatten sind ein Dauerbrenner seit den Anfängen der Krawatte überhaupt. Und wer an britische Krawatten denkt, denkt dabei zumeist nicht an geometrische Designs wie die traditionsreiche Macclesfield-Krawatte oder die Wollausführungen, wie sie pfeifenrauchende Landadelige in Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen tragen. Nein, die Halsbinde, die spontan in den Sinn kommt, ist die mit den klassischen Regimental Stripes. Man kann sich den englischen Banker und den vollendeten Gentleman eigentlich gar nicht ohne vorstellen. Da überrascht es ein wenig, dass diese Traditionshalsbinde tatsächlich erst ein Gebilde des 20. Jahrhunderts ist.

Natürlich kann man in den frühen Clubkrawatten der Exeter-Ruderer 1880 und ihren Nachfolgern schon die Vorläufer der späteren Regimentals erkennen.Ihren endgültigen Durchbruch erhielten die Streifendesigns in charakteristischen Farben aber erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die einzelnen Regimenter der britischen Armee hatten ihre Regimentsfarben, die sich in erster Linie in Uniformteilen zeigte. Doch auch die dazu passenden Krawatten waren in den jeweiligen Farbkombinationen gestreift. Stolz trugen die zurückgekehrten Soldaten auch später im Zivilleben die Farben ihrer Einheit. Auch Clubs und Vereine begannen bald, ihr Gemeinschaftsgefühl mit gestreiften Bindern zum Ausdruck zu bringen.

Immer noch ist es im Inselreich verpönt, die Farben eines Clubs oder Regiments zu tragen, dem man nicht angehört. Gerade falls Sie persönliche Verhandlungen mit einem britischen Geschäftspartner führen, sollten Sie peinlichst darauf achten, ihn nicht versehentlich durch eine falsche Farbwahl zu beleidigen. So sind breite Streifen in Navy und dunklem Bordeaux zwar optisch eine hervorragende Kombination, der traditionbewusste Engländer denkt hier aber nicht an modische Finesse, sondern an die Royal Life Guards. Und auch der noch so höfliche Gentleman wird irrititert sein, wenn Sie ausgerechnet die Farben seines Polo-Clubs tragen ohne jemals Polo gespielt zu haben. Sollten Sie also geschäftlich in Großbritannien zu tun haben, ist es die sichere Wahl, feine italienische Streifen den breiteren britischen vorzuziehen. Oder vielleicht versuchen Sie es mit einem dezenten Allover-Motiv?

Hierzulande müssen Sie sich derartigen Einschränkungen nicht beugen, sondern können ihre Krawatte rein nach Stilgefühl auswählen. Und es lässt sich nicht leugnen, dass die Regimentsstreifen einfach eine extrem elegante, klassische Ausstrahlung haben.

Traditionell steigen diese Streifen in einem Winkel von 45 Grad an. Der Grund dafür ist einfach: Damit die Krawatte später elegant fällt und sich nicht verdreht, wird der Stoff in einem 45-Grad-Winkel zur Laufrichtung zugeschnitten. Die aufsteigenden Streifen wirken dynamisch und positiv. Außerdem laufen die Streifen dann parallel zum geknöpft oben liegenden Revers des Jacketts und geben dem ganzen Outfit damit noch eine einheitlichere Note.

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis auch jenseits des großen Teiches die edlen Designs Aufmerksamkeit erregten. Waren es zunächst Touristen, die sich derartige Halsbinden aus dem Urlaub mitbrachten, so fingen amerikanische Hersteller bald an, die Binder in Massenproduktion zu fertigen. Die britischen Hersteller waren darüber verständlicherweise nicht sehr begeistert.

Um Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, änderte man kurzerhand die Laufrichtung der Streifen was den Streit für die Amerikaner entschärfte und den Briten einmal mehr ein Zeichen dafür war, dass in den Staaten nicht auf schneiderische Feinheiten geachtet wurde.

Da diese absteigenden Streifen hier schnell Assoziationen von Flucht und Misserfolg wecken, sollten Sie daher zweimal überlegen, ob Sie Ihr edles Urlaubssouvenir aus New York wirklich bei der Geschäftsbesprechung tragen sollten.