Dem Gewebe Druck machen...
Von den Vorzügen gewebter oder gedruckter Krawatten
Manchmal sind es Kleinigkeiten, die zum Gegenstand regelrechter Glaubenskriege werden. Fragt man modisch versierte Krawattenträger nach ihrem bevorzugten Material, so wird die Antwort meist Seide lauten, auch wenn Wollkrawatten im Winter durchaus interessant wirken können. Natürlich muss das gute Stück handgenäht sein, diagonal zugeschnitten und gut gefüttert.
Doch schon beim nächsten Punkt scheiden sich die Geister. Gedruckt oder gewebt, diese Frage wird bei wahren Krawattenfetischisten schnell zum Dogma. Gerade in Zeiten, wo zu unglaublich niedrigen Preisen unglaublich schlechte Qualitäten an Polyester-Krawatten die Schnäppchenläden bevölkern, die natürlich allesamt bedruckt sind, kann man verstehen, dass viele Krawattenträger auf Gewebtes schwören. Diese Massenprodukte sind nicht gerade dazu angetan, die ästhetische Empfindung anzuregen und den Geschmack zu verfeinern. Wie schon Walter Benjamin in seinem 1935 erschienenen kunsttheoretischen Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ befürchtete, hat die Masse hier die Aura des Kunstwerks zerstört. Vor allem dann, wenn der Halsschmuck auch noch mit schreiend bunten Motiven oder Comicfiguren bedruckt ist.
Und doch: bedruckte Krawatten immer gleich mit diesen Machwerken in Verbindung zu bringen, wäre ungerecht. Denn auch bedruckte Krawatten haben eine langjährige Tradition. Zudem erlauben sie erheblich feinere Muster, als dies bei ihren gewebten Gegenstücken der Fall ist. Vergleicht man etwa die feinen Nuancierungen eines gedruckten und eines gewebten Paisleymusters, so kann der Unterschied enorm sein. Zudem ist der Druck erheblich flexibler und erlaubt auch Farbkombinationen und Muster, die in reiner Webart gar nicht machbar wären. Denn immerhin ergeben sich hier Farbtöne aus dem Wechselspiel von Schuss- und Kettfäden. Auch sind bedruckte Stoffe oft deutlich leichter und können durch eine feinere Oberfläche bestechen, was ihnen oft einen immensen Lüster verleiht.
Waren gewebte Stoffe in früheren Zeiten entweder einfarbig oder aufwändig handgearbeitet, so änderte sich die Lage schlagartig, als 1805 der Franzose Joseph-Marie Jacquard den nach ihm benannten Jacquard-Webstuhl erfand. Nun war es möglich, mittels einer Lochkarten-Mechanik die einzelnen Kettfäden des Webstuhls einzeln zu heben und zu senken, was das Einweben von Mustern ermöglichte. Zar war die Idee nicht vollkommen neu – bereits in der frühen Han-Dynastie, etwa um 200 v. Chr., hatten die Chinesen mit ähnlichen Mechanismen experimentiert -, eine Revolution der Textilherstellung war es dennoch.
Ein gewebtes Muster wirkt tiefer und klarer. Zudem erlaubt die Jacquard-Technik etwas, wovon selbst die besten Druckmaschinen nur träumen: die Verwendung unterschiedlicher Oberflächen. So können sich Muster plastisch von der Oberfläche abheben. Ein jaquardgewebtes Muster erfühlt man an der Stoffoberfläche. Auch Rippstrukturen bis hin zu einfarbigen Streifenmustern sind hier kein Problem, so dass sich auch die fein gerippten Oberflächen von Woll- oder gar Mogador-Krawatten imitieren lassen. Die durch die aufwändigere Webart bedingt etwas schwereren Stoffe liegen meist als fertige Krawatte deutlich stabiler auf dem Hemd.
Aufwändige Krawattenknoten verlangen oft geradezu nach einer leicht raueren Krawatte aus Jacquardseide. Denn Stoffwindungen halten natürlich um so besser, um so weniger glatt der Stoff ist. Was bei einer Krawatte hier ein Vorteil ist, kann bei Einstecktüchern manchmal zum Problem werden. Das höhere Stoffgewicht verleiht Einstecktüchern aus Jacquardseide eine Festigkeit, die fast an Leinen erinnert. Das lässt sie in klassischen Faltungen zwar sehr viel stabiler erscheinen, erschwert aber zugleich lässige Varianten wie die lockere Bauschfaltung.
Wie so oft im Bereich der klassischen Herrenmode wäre es auch hier schade, sich auf eine Variante festzulegen und sich damit stiltechnischer Möglichkeiten berauben zu lassen. Tragen Sie ein aufgebauschtes bedrucktes Seidentuch mit Paisleys zur schweren gewebten Streifenkrawatte, oder den leichten Seidenbinder in Druckoptik. Nur eines bitte nicht: greifen Sie nie zu den bunten Comic- oder Motivkrawatten. Denn die sind kein Zeichen modischer Vorliebe, sondern mangelnden Geschmacks.
Passende Produkte
-
10,00 €Einstecktuch silber in Seide
-
25,17 €Gestreifte Krawatte...